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Sardische Feste

Reiseleiter Reinhard Wogritsch
Unser Reiseleiter Reinhard Wogritsch, der schon mehrmals Sardinien besucht hat, berichtet über spezielle sardische Feste.
Die Fotos stammen von unserem Foto-Reiseleiter Franz Gerdl.

 

S’ Agra di Sant’ Efisio

Alljährlich am 1 Mai um Punkt 12.00 Uhr mittags verlässt in Cagliari eine goldene Kutsche mit dem Standbild des Heiligen Ephisius, gezogen von prachtvoll geschmücktem Ochsen, die Kirche des Sant’Efisio,, begleitet von der Bruderschaft und Schwestergesellschaft des Sant’Efisio im Bußgewand, und fährt langsam aus der Stadt hinaus. Der Umzug, bei dem festlich dekorierte Ochsengespanne, Reiter und Folkloregruppen aus der ganzen Insel in traditionellen Kostümen dem Standbild vorangehen, führt von den Stadtvierteln Stampace und Giorgino, über die Orte La Maddalena, Su Loi, Villa D’Orri, Sarroch, Villa San Pietro und Pula bis nach Nora, im Südwesten der Insel.
Die Wallfahrer setzen mit ihrer Pilgerreise eine Tradition fort, die die Hauptstadtbewohner 1656 begründeten. Das Ziel der Prozession ist die Kirche von Sant’Efisio im eingangs erwähnten Nora. Doch wer ist der heilige Ephisius und warum feiert man dieses Fest?
Geboren wurde Ephisius vermutlich um 250 n. Chr. in Jerusalem. Der Überlieferung nach dürfte er der Sohn eines christlichen Vaters und einer heidnischen Mutter gewesen sein. Der Legende zufolge war Ephisius zunächst Soldat in der Leibwache des römischen Kaisers Diokletian. Später wurde er im Kampf gegen die Barbaren nach Sardinien verlegt und stationiert. Aufgrund seiner Bekehrung zum Christentum und seiner missionarischen Tätigkeiten wurde er verhaftet, in Cagliari eingekerkert und anschließend zum Tod verurteil. Im Jahr 303 n.Chr. wurde Ephisius in Nora enthauptet. Seine Reliquien wurden in das nahegelegene Pula gebracht und später nach Pisa transferiert. Der Heilige ist somit der Schutzpatron Cagliaris bzw. Sardiniens und der Stadt Pisa, die ebenso am 01. Mai seiner gedenkt.
Die Mitte des 17. Jahrhunderts wurde für Sardinien durch Hungersnöte und den Ausbruch der Pest im Jahre 1656 gekennzeichnet. In ihrer höchsten Not wandten sich die Bewohner Cagliaris an ihren Schutzpatron, er möge den Plagen Einhalt gebieten. Im Gegenzug würden sie zum Dank alljährlich eine Prozession stattfinden lassen, die sie zu seinem Todestag abhalten würden. Die Gebete und das Gelübde wurden erhört, die Pest verschwand und seit nun mehr 363 Jahren haben die Sarden nun Wort gehalten. Zahlreiche opulent geschmückte Ochsenkarren, mehr als 130 Folklore- und Reitergruppen, mehrere Chöre und Launedda-Ensembles (launedda = traditionelle Flöte), die Honoratioren der Stadt, der Bürgermeister, der Bischof u.v.a.m. nehmen an diesem Fest teil.
Schon seit den frühen Morgenstunden des 1. Mai ist die Stadt in Bewegung, sammeln sich die in ihrer lokalen Tracht gekleideten Abordnungen in den verwinkelten Gassen der Altstadt. Mehrere Messen werden hintereinander in der Sant‘ Efisio-Kirche gelesen. Viele Festbesucher steigen andächtig in die Krypta unweit der Kirche hinab, in der der Heilige gefangen gehalten wurde. Man wartet gespannt auf den Beginn des Umzugs oder sucht noch nach den besten Plätzen.
Um ca. 09.30 Uhr beginnt der Umzug. Die Folkloregruppen präsentieren stolz ihre wundervoll genähten, sehr detailreichen Trachten, versehen mit Silberschmuck und Spitzen. Manche von ihnen sind auch sehr einfach gehalten und charakteristisch für die Region, aus der die Menschen stammen. Die Stimmung während des Festes ist sehr würdevoll und ruhig, feierlich getragen, wenn man so will, sie ist aber auch fröhlich, jedoch niemals ausgelassen. Hingegen wächst die Anspannung und ein plötzliches Gedränge setzt ein, sobald der Festwagen mit dem Standbild des Heiligen sich nähert, dessen Kommen mit den traditionellen Klängen der Launedda-Spieler angekündigt wird. Das Warten hat nun ein Ende! Tief Gläubige versuchen den Karren beim Vorbeifahren zu berühren, Blumen zu spenden, kleinere Geschenke z. B. in Form eines Rosenkranzes, oder auch einen Bittbrief anzubringen. Viele Menschen applaudieren oder singen, manche beten einfach nur still.
Am 2. und 3. Mai geht es über Sarroch, Villa San Pietro und Pula weiter nach Nora, wo Ephisius, der religiösen Überlieferung nach. Am Morgen des 4. Mai wird die Rückreise angetreten und nachts in Cagliari beendet. Um das feierliche religiöse Gelübde für erlöst zu erklären, muss der Heilige innerhalb Mitternacht die Kirche von Sant’Efisio in der Inselhauptstadt erreichen.

S‘ Ardia von Sedilo

Die Ardia von Sedilo ist eines der beeindruckendsten und faszinierendsten Ereignisse Sardiniens. Am 6. und 7. Juli ist ein ganzes Dorf im Festrausch und feiert ein spektakuläres Pferderennen rund um die Kirche des Hl. Konstantin (auf Sardisch: Santu Antinu). Tausende Menschen strömen jährlich in das Dorf, um der Faszination dieses Fest beizuwohnen.
Der sardische Begriff S´Ardia entstammt dem Lateinischen „bardiare“ und bedeutet ins Deutsche übersetzt „bewachen“. Das Fest selbst erinnert an die berühmte Schlacht an der Milvischen Brücke im Jahr 312 n. Chr., als Kaiser Konstantin gegen seinen Schwager Maxentius zu einem Feldzug aufgebrochen war, da dieser sich zuvor mit Schützenhilfe der Prätorianergarde in Rom an die Macht geputscht hatte.
In der Nacht vor dem entscheidenden Gefecht wurde Konstantin von Christus in einem Traum aufgefordert, das Kreuz als Feldzeichen im Kampf gegen seine Feinde einzusetzen – in hoc signo vinces, „in diesem Zeichen wirst du siegen!“. Der Kaiser ließ daher am nächsten Tag an der Spitze einer Lanze einen Kranz aus Gold und Edelsteinen mit den Buchstaben Chi und Rho in der Mitte befestigen, wobei das Rho das Chi durchkreuzte und das sogenannte Christogramm bildete. Schlussendlich konnte Konstantin, obwohl seine Truppen zahlenmäßig unterlegen waren, Maxentius dadurch bezwingen und die Schlacht an der Milvischen Brücke ging als Sieg des Christentums über das Heidentum in die Geschichte ein.
Der Ablauf der S’Ardia ist langen Vorbereitungen und strikten Regel unterworfen. Einige Monate vor dem eigentlichen Rennen ernennt der Pfarrer von Sedilo den Anführer der Reiter, die an diesem Fest teilnehmen werden – die sogenannte „la prima pandela“. Er benennt ihn aus einem Register, das einer strengen chronologischen Ordnung folgt.
Das Fest an sich ist in zwei unterschiedliche Phasen unterteilt. Im ersten Teil finden die Feierlichkeiten auf dem Hauptplatz von Sedilo statt. Der Pfarrer benennt weitere zwei Reiter, die die sogenannten. „pandelas“ empfangen. Pandelas sind Wimpel, ein gelber – der Wichtigste – ein roter und ein weißer, die diese drei Reiter damit zu Repräsentanten der gesamten Christenheit machen.
Diese Reiter haben nun den Auftrag, gemeinsam mit ihrem Geleitschutz („sas iscortas“) die „pandelas“ zu verteidigen. Damit beginnt der zweite Teil des Rituals. Die Reiter begeben sich in Richtung Wallfahrtskirche zu einem Felsvorsprung, dem Startpunkt des Rennens. Sie werden anschließend vom Dorfpfarrer gesegnet und der schöne, aber auch nicht ungefährliche Lauf rund um die Wallfahrtskirche von Santu Antinu kann nun beginnen.
Das Ritual sieht vor, dass die erste „pandela“ ohne Vorwarnung los galoppiert, die zweite und dritte „pandela“ (im Sardischen: „sa segunda“ und „sa terza pandela“) ihr dann folgen. Diese zwei Reiter müssen gemeinsam mit dem Geleitschutz verhindern, dass der Anführer von den anderen teilnehmenden Reitern, die das Heer des Maxentius und somit das Heidentum darstellen, überholt wird, denn dies würde den Sieg über das Christentum bedeuten.
Die Reiter galoppieren mit ihren Pferden im halsbrecherischen Tempo die hügelige Strecke von dem Felsvorsprung („Su Frontigheddu“) bis zur Kirche hinab. Nachdem diese erreicht haben, umreiten sie den „Tempel“ sieben Mal. Nach der letzten Umrundung gibt der Anführer seinem Pferd den Sporn und das Rennen geht im Galopp an der auf beiden Seiten stehenden Menschenmenge entlang weiter. Die Horde reitet anschließend auf „Sa Muredda“ zu, einem kreisrunden Platz mit Mauern, in dessen Mitte sich ein Kreuz befindet. Anschließend geht es nochmal zurück zur Kirche, wo zum Abschluss noch eine heilige Messe gefeiert wird. In der Morgendämmerung des 7. Julis wiederholt sich das Ritual auf die gleiche Weise. Am Nachmittag findet eine Prozession zu Ehren des Heiligen Konstantins statt.

Calvacata Sarda

Die Cavalcata Sarda ist das größte Frühjahrsfest in Sardinien. Es findet am vorletzten Sonntag im Mai in Sassari, eine Gemeinde im Nordwesten der Insel, statt. Die Ursprünge dieses Festes reichen in das Jahr 1899 zurück, als man den italienischen König willkommen hieß, der gekommen war, um die Statue von Vittorio Emanuele auf der Piazza Italia, dem Hauptplatz der Stadt, zu enthüllen. Heute feiert man damit den Frühling.
Es kommen bis zu 3000 Personen aus ganz Sardinien, um ihre traditionellen Kostüme in einem farbenprächtigen Umzug zur Schau zu stellen. Im Gegenzug zum Sant‘ Efisio-Fest ist diese Feier ein ausdrucksfreudigeres Zeugnis der sardischen Folklore und lädt zu Vergnügen, zum Singen und Tanzen ein. Am Sonntagmorgen findet der farbenfrohe Trachtenumzug statt. Der Umzug führt über eine ca. zwei Kilometer langen Strecke durch die Straßen der Altstadt von Sassari. Zu Fuß und auf den Traccas, den von Ochsen gezogenen, blumengeschmückten Karren, ziehen Gruppen aus ganz Sardinien vorbei. Alle tragen die typische traditionelle Tracht ihres Herkunftsortes, die meist mit hübschen Stickereien und Filigranschmuck aus Gold und Silber zieren. Dem folgt ein prächtiger Umzug von über 300 Reitern.
Am Nachmittag stehen die Pariglie im Mittelpunkt des Geschehens, Reiterturniere, bei denen die mutigsten Reiter auf der Pferderennbahn der Stadt spektakuläre, akrobatische Kunststücke auf galoppierenden Pferden vorführen. Am Abend stehen auf der Piazza d’Italia bis in die Nacht traditionelle Gesänge und Tänze zum Klang der Launeddas, Gesang und Ziehharmonika auf dem Programm.